Für die Praxis: Jürgen Steiner und Dr. Jan Wilhelm über innovative Ansätze und erprobte Lösungen
Zögern wird teuer! Denn der demografische Wandel und damit der Fachkräftemangel schreiten rasant voran, was gerade für produzierende Unternehmen bedeutet: Nur mit einer überlegten und stringenten Digitalisierung „sind die Herausforderungen der Zukunft zu meistern und Chancen im Wettbewerb zu nutzen. Die Frage muss nicht lauten, ob man es sich leisten kann, in Digitalisierung zu investieren, sondern, ob man es sich leisten kann, diese Investitionen noch weiter hinauszuzögern“, sind sich Dr. Jan Wilhelm und Jürgen Steiner einig.
Der eine ist Manager Transformation Experience and Research am European 4.0 Transformation Center (E4TC) auf dem Campus der RWTH, der andere Leiter des Bossard Kompetenzzentrums für Zeichnungsteile in Velbert mit über 27 Jahren Führungs-Expertise in Fertigung, Logistik und Serienproduktionen. Und beiden gelingt es, mit dem neuen Bossard Whitepaper „Zukunftsfähige Digitalstrategie gegen Fachkräftemangel“, nicht nur kompakt, verständlich und wissenschaftlich fundiert aktuelle Trends und damit verbundene Notwendigkeiten zusammenzufassen, sondern auch anhand von fünf Use Cases innovative Ansätze und erprobte, praktikable Lösungen aufzuzeigen.
Unterstützt wurden die beiden Experten von Horst Sälzle, Department Leader ATE, Machinery & Services, Smart Factory Logistics and Products & Services, sowie von Urs Güttinger, Chief Technology Officer (CTO) bei der Bossard Gruppe, der mit dem gesammelten Knowhow eines internationalen Konzerns bei der Entwicklung und Umsetzung des Whitepapers zur Seite stand.
Als konkrete Herausforderungen in produzierenden Unternehmen wurden definiert:
- Fachkräftemangel und alternde Belegschaft
- Verlust von Wissen durch Abwanderung und Pensionierung
- Angst und Vorbehalte gegenüber digitalen Lösungen und Erhebung von Daten
- Anreize, die neuen Lösungen auch zu nutzen
- Neue Art der Führung (alte Chefs gegebenenfalls als „Innovationsbremser“)
- Wandel als kontinuierlicher Veränderungsprozess
Zeit ist Geld, das gilt im besonderen Maße für die Abläufe in Unternehmen mit eigener Produktion samt Logistik und Montagearbeitsplätzen. Die Investition in die Digitalisierung erfordert in der Regel eine gewisse Expertise und ein Netzwerk starker Partner. Dabei gibt es bereits viele erprobte Lösungen, die schnell implementiert werden können. Fünf davon beinhaltet das Whitepaper, in dem – ausgedruckt wäre es 24 DinA4 Seiten stark – mit Fokus auf „Innovation und digitale Transformation“ bereits praktisch umgesetzte Lösungen vorgestellt werden.
Die Use Cases folgen dabei dem Produktentstehungsprozess von Rapid Prototyping bis zum fertigen Produkt:
Real Time Manufacturing Services
Die Herausforderung: Im Bereich der Produktentwicklung gibt es einerseits immer weniger Fachkräfte im Einkauf und in der Konstruktion, andererseits ist der Druck enorm gestiegen, schnellstmöglich marktreife Anwendungen zu entwickeln und zu lancieren. Dieser Trend hat dazu geführt, dass Unternehmen vermehrt auf möglichst schnelle und einfache Lösungen für den ersten Draft in der Produktentwicklung setzen, um diesen im weiteren Verlauf des Entwicklungsprozesses zu optimieren und zu verfeinern.
Smart Factory Logistics und Last-Mile Management
Die Herausforderung: Eine schlankere und transparentere Produktion und Fertigung, die Unternehmen helfen kann, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren, in der Folge ihre Kunden besser zu bedienen und schließlich wettbewerbsfähiger zu werden.
Augmented Reality in Route Guidance
Die Herausforderung: In einer riesigen Fabrikhalle mit vielen Lagerstellen und Maschinen müssen Mitarbeiter so schnell wie möglich zu dem für den nächsten Auftrag richtigen Platz kommen. Erfahrene Mitarbeitende kennen sich oft aus, aber was ist mit neuen Kräften oder Leiharbeitern?
Smart Factory Assembly
Die Herausforderung: Durch den Einsatz von Technologie und Automation werden repetitive und körperlich anstrengende Aufgaben automatisiert (weniger Fachkräfte notwendig), die Verfügbarkeit von Fachwissen verbessert und gerade für junge Talente und Nachwuchskräfte die Attraktivität der Arbeit in der Fertigungsindustrie erhöht.
Smarte Qualitätskontrolle in der Montage
Die Herausforderung: Beim Einsatz vom Schraubern werden mit künstlicher Intelligenz jeder einzelne Schraubfall erfasst und der Mitarbeitende von der Last der Dokumentation befreit. Ferner wird die individuelle Fehlerhäufigkeit signifikant verringert.
Zeit für wertschöpfende Aufgaben
Die zentralen Fragen einer Transformation in der Produktion: Wie können wir Prozesse besser, schlanker und schneller gestalten, wie können wir sie digitalisieren? Für die beiden Experten geht es bei der Digitalisierung nicht darum, Arbeitskräfte zu ersetzen, sondern im Gegenteil diesen „weg von reinen Routine-Jobs“ den nötigen Freiraum für „wertschöpfende Aufgaben zu schaffen“, so Dr. Jan Wilhelm: „Je mehr Informationen digital zur Verfügung stehen, je besser die Vernetzung ist, desto schneller können richtige Entscheidungen getroffen und Lösungen umgesetzt werden.“
Für Jürgen Steiner ist es dabei entscheidend, „mit dem Blick fürs große Ganze mit kleinen, einfach zu realisieren Schritten zu beginnen, das Wissen der Praktiker vor Ort abzugreifen und das ganze Unternehmen einzubeziehen. Digitalisierung ist nicht nur die Aufgabe der IT.“